Cholesterin verstehen – Regulation statt Reduktion

Warum hohe Werte nicht automatisch krank machen

und warum pauschale Senkung biologische Risiken birgt

 

Einleitung

Cholesterin gehört zu den am häufigsten gemessenen Laborwerten und gleichzeitig zu den am meisten missverstandenen Substanzen der modernen Medizin. Kaum ein Stoff wird so konsequent mit Krankheit assoziiert – und kaum ein Stoff wird so häufig medikamentös beeinflusst, oft ohne ausreichende Differenzierung.

Dabei ist Cholesterin kein Gift, kein Abfallprodukt und kein zufälliger Risikofaktor, sondern ein zentraler biologischer Baustoff. Die entscheidende Frage lautet daher nicht, ob Cholesterin gut oder schlecht ist, sondern:

Warum ist Cholesterin erhöht – und was versucht der Körper damit zu regulieren?

 

1. Cholesterin – ein unverzichtbarer biologischer Grundstoff

Cholesterin ist essenziell für nahezu alle höher organisierten Lebensprozesse. Es wird benötigt für:

  • den Aufbau und die Stabilität von Zellmembranen
  • die Funktion von Nervenzellen und Myelinscheiden
  • die Synthese aller Steroidhormone
    (Cortisol, Aldosteron, Testosteron, Östrogene, Progesteron)
  • die Bildung von Vitamin D
  • die Herstellung von Gallensäuren und damit die Fettverdauung
  • Immunfunktionen
  • die Stabilität und Funktion von Mitochondrien

Ohne Cholesterin ist Leben nicht möglich. Entsprechend produziert der Körper den Großteil seines Cholesterins selbst – vor allem in der Leber, aber auch im Darm, in den Nebennieren, in der Haut und im Gehirn.

 

2. Wie Cholesterin entsteht – und warum Ernährung nur eine Nebenrolle spielt

Etwa 70–80 % des Cholesterins werden endogen synthetisiert. Die Aufnahme über die Nahrung spielt eine vergleichsweise geringe Rolle, da der Körper über ausgeprägte Rückkopplungsmechanismen verfügt.

Die Leber reguliert die Cholesterinproduktion nicht anhand des Blutwertes, sondern anhand des intrazellulären Cholesterinstatus. Entscheidend sind:

  • wie viel Cholesterin in den Leberzellen verfügbar ist
  • wie viel über LDL-Rezeptoren aufgenommen wird
  • hormonelle Signale (z. B. Insulin, Cortisol, Schilddrüsenhormone)
  • Stress- und Entzündungszustände
  • Reparatur- und Aufbauprozesse

Ein erhöhter Cholesterinspiegel im Blut bedeutet daher nicht automatisch eine Überproduktion, sondern häufig eine gestörte Nutzung oder Weiterverarbeitung.

 

3. Cholesterin ist kein frei verfügbarer Stoff

Ein zentraler Irrtum der Cholesterin-Debatte besteht in der Annahme, Cholesterin könne bei Bedarf einfach dorthin transportiert werden, wo es gebraucht wird.

Das ist nicht der Fall.

Cholesterin:

  • ist kein Hormon
  • zirkuliert nicht frei
  • ist an Lipoproteine gebunden
  • folgt einem passiven Transportsystem

Der Transport erfolgt über VLDL, LDL und HDL. Zellen können Cholesterin nur aufnehmen, wenn:

  • funktionierende LDL-Rezeptoren vorhanden sind
  • die Zellmembran aufnahmefähig ist
  • kein entzündlicher oder metabolischer Block vorliegt

Stress, chronische Entzündung, Insulinresistenz und oxidativer Stress können diese Aufnahme erheblich beeinträchtigen.

 

4. Warum Cholesterin oft erhöht ist, obwohl es gebraucht wird

Ein erhöhter Cholesterinspiegel ist häufig Ausdruck eines Transport- oder Verwertungsstaus, nicht eines Überflusses.

Mögliche Ursachen sind:

  • reduzierte LDL-Rezeptoraktivität
  • verminderte Umwandlung in Hormone
  • eingeschränkte Gallensäurebildung
  • mitochondrialer Energiemangel
  • chronischer Stress
  • entzündliche Prozesse
  • hormonelle Dysregulation

Paradoxerweise gilt:

Je schlechter Cholesterin genutzt wird, desto höher bleibt es im Blut.

 

5. LDL, sdLDL und oxLDL – warum nicht jedes LDL gefährlich ist

LDL

LDL ist in erster Linie ein Transportvehikel. Es bringt Cholesterin zu den Zellen und ist per se nicht schädlich.

sdLDL

Small dense LDL entsteht bevorzugt bei:

  • Insulinresistenz
  • metabolischem Syndrom
  • chronischer Entzündung
  • hoher Zucker- und Fruktosebelastung

sdLDL ist problematisch, weil es:

  • leichter in die Gefäßwand eindringt
  • schlechter abgebaut wird
  • schneller oxidiert

oxLDL

Oxidiertes LDL entsteht unter oxidativem Stress und wirkt stark entzündungsfördernd. Gefäßschäden entstehen nicht durch Cholesterin an sich, sondern durch entzündlich veränderte LDL-Partikel.

 

6. Wie der Körper die Cholesterinproduktion reguliert

Die Leber „weiß“ nicht bewusst, wie viel Cholesterin benötigt wird. Sie reagiert auf ein komplexes Regelnetz:

  • intrazellulärer Cholesterinstatus
  • LDL-Aufnahme
  • hormonelle Signale
  • Stress- und Entzündungsmarker

Der zentrale Schalter ist die HMG-CoA-Reduktase. Sie wird hoch- oder herunterreguliert – abhängig vom Bedarf auf Zellebene, nicht vom Laborwert.

 

7. Warum Cholesterin nicht einfach dorthin gelangt, wo es gebraucht wird

Es existiert kein zentrales System, das Cholesterin aktiv nach Bedarf verteilt. Cholesterin kann nicht wie Glukose mobilisiert oder wie Hormone gezielt ausgeschüttet werden.

Erschwerend kommt hinzu:

  • begrenzte Recyclingkapazität
  • organ-spezifische Barrieren
  • energieabhängige Synthese
  • Abhängigkeit von Mikronährstoffen

Wird die Synthese blockiert, entsteht kein intelligenter Ausgleich, sondern eine systemische Verknappung.

 

8. Cholesterin und Gehirn – ein eigenes, sensibles System

Cholesterin aus dem Blut kann die Blut-Hirn-Schranke praktisch nicht überwinden. Das Gehirn ist nahezu vollständig auf seine eigene Cholesterinsynthese angewiesen.

Über 95 % des Gehirncholesterins werden lokal gebildet, vor allem durch Astrozyten und Oligodendrozyten. Der intrazerebrale Transport erfolgt über ApoE-haltige Partikel – nicht über LDL oder HDL.

Das Gehirn enthält rund 25 % des gesamten Körpercholesterins und benötigt es für:

  • Myelinisierung
  • synaptische Plastizität
  • Signalübertragung
  • Reparaturprozesse
  • kognitive Leistungsfähigkeit

Altersabhängige Veränderungen

Mit zunehmendem Alter sinkt die Fähigkeit des Gehirns zur eigenen Cholesterinsynthese, u. a. durch:

  • reduzierte Enzymaktivität
  • nachlassende Astrozytenfunktion
  • verminderte mitochondriale Energie
  • geringeren intrazerebralen Transport

Ein niedriger Blut-Cholesterinwert kann diesen Mangel nicht ausgleichen.

 

9. Statine – Wirkung, Grenzen und Risiken

Statine blockieren die HMG-CoA-Reduktase unabhängig davon, warum der Körper Cholesterin benötigt. Sie unterscheiden nicht zwischen Reparaturbedarf, Stressanpassung oder echter Überversorgung.

Zusätzlich:

  • hemmen sie die Coenzym-Q10-Synthese
  • beeinflussen die mitochondriale Energieproduktion
  • können bei lipophilen Vertretern die Blut-Hirn-Schranke passieren

Mögliche Folgen:

  • Muskelschmerzen
  • Erschöpfung
  • hormonelle Dysbalancen
  • kognitive Einschränkungen
  • erhöhtes Diabetesrisiko

Statine regulieren nicht – sie rationieren.

 

10. Wann eine Senkung sinnvoll ist – und wann nicht

Sinnvoll:

  • Sekundärprävention
  • manifeste Gefäßerkrankung
  • instabile Plaques
  • hohes Gesamtrisiko

Kritisch:

  • Primärprävention ohne Hochrisikoprofil
  • isoliert erhöhter LDL- oder Gesamtwert
  • fehlende Differenzierung von sdLDL / oxLDL
  • fehlende Ursachenanalyse

 

Gut zu wissen

Cholesterin ist kein Feind, sondern ein Regulationsmarker.

Eine pauschale Senkung kann kurzfristig Risiken reduzieren, langfristig jedoch adaptive Prozesse schwächen.

Die entscheidende Frage lautet nicht:

„Wie niedrig können wir den Wert senken?“

Sondern:

„Warum ist er erhöht – und was braucht der Körper wirklich?“


ÜBER DEN AUTOR

Autor

Ralph Hillmer

Ralph Hillmer ist Experte für Epigenetik  & Sport Mentaltraining und hat bereits in zahlreichen Coachings und Trainings sein Wissen unter Beweis gestellt. In diesem Blog erfährst du mehr über seine Expertise.

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