Epigenetik im Alltag – wie unsere Umgebung die Genaktivität steuert

Epigenetik beschreibt die Prozesse, durch die Gene ein- oder ausgeschaltet und in ihrer Aktivität reguliert werden, ohne dass sich die Abfolge der DNA selbst verändert. Diese Regulation bestimmt, ob Zellen auf Wachstum, Regeneration, Abwehr oder Energiebereitstellung eingestellt sind.

 

Ein Beispiel ist die Stressreaktion. Gerät ein Mensch unter akuten Stress, schüttet der Körper Cortisol aus. Dieses Hormon gelangt in die Zellen und beeinflusst dort die Genaktivität. Auf der Ebene der DNA-Methylierung können Gene, die normalerweise entzündungshemmend wirken, vorübergehend stummgeschaltet werden. Gleichzeitig bleiben Gene, die für schnelle Energiebereitstellung zuständig sind, aktiv. Das ist kurzfristig sinnvoll, weil der Körper so sofort handlungsfähig bleibt.

 

Eine weitere Ebene ist die Histon-Modifikation. Die DNA ist im Zellkern um Histone gewickelt, und ob Gene abgelesen werden, hängt davon ab, wie fest oder locker diese Verpackung ist. Unter Stress werden Gene für Energiestoffwechsel und Stressproteine durch chemische Veränderungen leichter zugänglich gemacht, während Reparatur- und Regenerationsgene schwieriger ablesbar werden. So werden Ressourcen im Moment der Belastung dorthin gelenkt, wo sie gebraucht werden.

 

Die dritte Ebene bilden die microRNAs. Das sind kleine Moleküle, die im Körper selbst gebildet werden, aber auch über die Nahrung aufgenommen werden können und bestimmen, ob aus einer bereits abgelesenen Genvorlage tatsächlich ein Protein entsteht. Unter akutem Stress sorgen microRNAs dafür, dass nur so viele Stressproteine gebildet werden, wie nötig sind. Wird Stress jedoch chronisch, verändern sich die Muster der microRNAs so, dass sie Proteine für Gedächtnis, Lernen und Regeneration drosseln. Dadurch können Konzentrationsprobleme, Anfälligkeit für Krankheiten und ein schnelleres Altern entstehen.

 

Epigenetische Steuerung bedeutet jedoch nicht automatisch Krankheit. Sie ist zunächst ein Anpassungsmechanismus. Bei körperlichem Training werden beispielsweise Gene für Muskelwachstum und Mitochondrienbildung aktiviert. Bei einer Infektion fahren Immunzellen durch epigenetische Veränderungen ihre Abwehrleistung hoch. Auch das Lernen und Speichern von Erfahrungen basiert auf solchen Prozessen: Nur wenn Gene für Neuroplastizität im richtigen Moment aktiviert werden, können wir neue Fähigkeiten entwickeln.

 

Interessant ist, dass Ernährung nicht nur Nährstoffe liefert, sondern auch direkt epigenetisch wirkt. Ballaststoffe führen im Darm zur Bildung von Butyrat, das Gene für Entzündungshemmung aktiviert. Polyphenole aus Obst und Gemüse können Gene regulieren, die an der Krebsabwehr beteiligt sind. Sogar microRNAs aus Muttermilch sind bekannt dafür, dass sie beim Kind das Immunsystem und den Stoffwechsel beeinflussen.

 

Zusammengefasst: Epigenetische Regulation funktioniert auf drei Ebenen. Die DNA-Methylierung legt fest, ob ein Gen grundsätzlich abgelesen wird. Die Histon-Modifikationen entscheiden, wie leicht es zugänglich ist. Und die microRNAs steuern, wie viel von diesem Gen tatsächlich in ein Protein umgesetzt wird. Alle drei Systeme reagieren sensibel auf äußere Einflüsse wie Ernährung, Bewegung, Schlaf, Stress oder Umweltgifte.

Das Entscheidende ist: Wir können diese Prozesse beeinflussen. Wer sich bewegt, sorgt dafür, dass Regenerations- und Energie-Gene regelmäßig aktiviert werden. Wer ausreichend schläft, stellt sicher, dass Reparatur- und Lernprozesse optimal ablaufen. Wer Stress abbaut, verhindert, dass der Körper dauerhaft im Alarmmodus bleibt. Und wer sich ausgewogen ernährt, liefert nicht nur Bausteine, sondern auch epigenetische Signale, die langfristig Gesundheit, Abwehrkraft und Regeneration unterstützen.

Epigenetik zeigt damit, dass wir nicht Opfer unserer Gene sind. Gene bilden den Bauplan, doch wie stark einzelne Gene wirken, hängt davon ab, wie wir leben. Mit unserem Verhalten können wir die Richtung beeinflussen – hin zu mehr Energie, Stabilität, Lernfähigkeit und Widerstandskraft.

 

 

Wissenschaftliche Kurzform zu den drei epigenetischen Ebenen:

1. DNA-Methylierung

  • Chemische Anheftung von Methylgruppen (–CH₃) an Cytosin-Basen in CpG-Inseln der DNA.
  • Führt meist zu einer Hemmung der Transkription, da Transkriptionsfaktoren nicht mehr binden können.
  • Wirkt wie ein An-/Aus-Schalter für Gene, häufig stabil und über Zellteilungen hinweg vererbbar.

 

2. Histon-Modifikationen

  • Posttranslationale Veränderungen an Histonproteinen (z. B. Acetylierung, Methylierung, Phosphorylierung).
  • Beeinflussen die Chromatinstruktur:
    • Lockeres Euchromatin = Gene leichter ablesbar.
    • Verdichtetes Heterochromatin = Gene schwer oder gar nicht ablesbar.
  • Dienen als dynamische Regler für die Zugänglichkeit der DNA.

 

3. microRNAs (miRNAs)

  • Kleine, nicht-codierende RNA-Moleküle (ca. 20–25 Nukleotide).
  • Binden komplementär an mRNA und bewirken entweder deren Abbau oder Blockade der Translation.
  • Regulieren so die Proteinproduktion nach der Transkription (posttranskriptionelle Kontrolle).

 

Zusammengefasst:

  • DNA-Methylierung entscheidet, ob ein Gen überhaupt gelesen wird.
  • Histon-Modifikationen regulieren, wie zugänglich die DNA für Transkriptionsfaktoren ist.
  • microRNAs bestimmen, ob die ausgelesene Information tatsächlich in ein Protein umgesetzt wird.

ÜBER DEN AUTOR

Autor

Ralph Hillmer

Ralph Hillmer ist Experte für Epigenetik  & Sport Mentaltraining und hat bereits in zahlreichen Coachings und Trainings sein Wissen unter Beweis gestellt. In diesem Blog erfährst du mehr über seine Expertise.

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